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„HAITI IST MEHR ALS ELEND"
Jean-Pierre Roy hat eine Mission

Seit anderthalb Wochen tourt Jean-Pierre Roy durch die Marktgemeinde, gibt im Skistadion ein Interview nach dem anderen und ist damit seinem Ziel schon ein gewaltiges Stück nähergekommen.

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Ein-Mann-Betrieb: Präsident und Fahrer: Jean-Pierre Roy. 
Foto: rtr


Die Rangliste der Interview- und PR-Termine wird bei der WM in Garmisch-Partenkirchen noch von Maria Riesch angeführt. Knapp dahinter rangiert ein Mann namens Jean-Pierre Roy. Gestern Vormittag hat der füllige Herr im Pressezentrum eine gar nicht schlecht besuchte Pressekonferenz abgehalten. Am Nachmittag bestand Gelegenheit, den Athleten Roy − er ist einer, auch wenn er auf den ersten Blick nicht so aussieht − beim Fototermin auf der Kandahar ins rechte Bild zu rücken. Roy mit leicht feuchten Augen im Rennanzug von Haiti.
Haiti? Aha, einer der so genannten Exoten, die alle zwei Jahre bei der Weltmeisterschaft auftauchen, mehr oder weniger lustige Geschichten abliefern, aber vor allem ihre eigene Geltungssucht stillen oder sich einen Lebenstraum erfüllen.


Erster Opa bei einer WM
Jean-Pierre Roy hat eine andere Mission, und seit anderthalb Wochen tourt er durch die Marktgemeinde, gibt im Skistadion ein Interview nach dem anderen und ist damit seinem Ziel schon ein gewaltiges Stück nähergekommen. „Haiti ist mehr als Elend, Cholera und Korruption“, sagt Roy, dessen Ziel es ist, die Aufmerksamkeit auf sein von dem schweren Erdbeben mit 300.000 Toten heimgesuchtes Heimatland zu richten. Seine Mission heißt wie seine Webseite „L’or blanc pour Haiti“ – weißes Gold für Haiti. Er wirbt für die Hilfsorganisationen Alima, die gegen die Ausbreitung der Cholera kämpft, und für Secours populaire, die sich um bessere Bildungsmöglichkeiten auf der bitterarmen Karibikinsel kümmert.


Video zum Thema: Ski-WM: Jean-Pierre Roy kämpft für Haiti (2:32)

Jean-Pierre Roy bringt einiges mit, was es leicht macht, die Scheinwerfer auf ihn zu richten. Der in Frankreich groß gewordene Haitianer ist 47 Jahre alt und mit größer Wahrscheinlichkeit der erste Opa, der an einer Ski-WM teilnimmt. Die Enkelin ist zwei Jahre alt und damit genau in dem Alter, in dem Roy mit seinen Eltern aus politischen Gründen nach Europa flüchtete. Bei Paris betreibt der Computerfachmann ein kleines Unternehmen.
Im vergangenen Winter, kurz nach dem Erdbeben im Januar 2010, kam ihm beim Skifahren die Idee, die WM für sein Hilfsprojekt zu nutzen. Er gründete den Haitianischen Skiverband, dessen Präsident und einziger Athlet er ist. Bei zwei Rennen in Frankreich schaffte Roy, der erst seit acht Jahren auf Brettern steht, die nötigen Punkte, um vom Ski-Weltverband FIS für die Qualifikationswettbewerbe zugelassen zu werden. Am 6. November bekam der Geschäftsmann die Rennlizenz mit der Nummer 921000. „Das war ein großer Tag für mich.“ Seither hat er in der alten Heimat in Anlehnung an die jamaikanischen Bobfahrer (rasta rockets) den Spitznamen „Rasta piquett“ – Rasta Slalomstange weg. Nun ja, das Haupthaar ist halt jetzt kahl rasiert.
20 Tage gegen 20 Jahre, so beschreibt Roy seine ungleiche Mission. Drei Wochen Schneetraining gegen zwei Jahrzehnte Rennerfahrung der Profis. Er selbst beschreibt sich als guten Skifahrer. Wie gut, wird sich in den Qualifikationsrennen zeigen.


Autor:  Jürgen Ahäuser

Datum: 16 | 2 | 2011