Die Presse

„Weißes Gold für Haiti“: Ski-Freaks rühren die Werbetrommel

14.02.2011 | 18:37 |  MICHAEL KÖTTRITSCH (Die Presse)
Jean Pierre Roy und Thierry Montillet wollen zeigen, dass das Karibik- land mehr zu bieten hat als Meldungen über Katastrophen, Korruption und Elend. Sportlich soll der Ausflug zu WM nicht gänzlich wertlos sein.

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Bild: (c) REUTERS (RUBEN SPRICH)

Garmisch-partenkirchen. Ganz gleich ob Fußball, Tennis oder Olympisches Comité, den großen internationalen Sportorganisationen ist eines gemein: Sie wollen großen politischen Einfluss ausüben, ihren Mitgliedern hingegen möglichst keine Bühne für politische Statements bieten.


Die FIFA ist in dieser Hinsicht besonders restriktiv: Geldstrafen drohen dem, der während eines Spiels sein mit politischen oder religiösen Parolen bedrucktes Unterleibchen herzeigt. Ein Problem, mit dem die FIS temperaturbedingt kaum zu kämpfen hat.
In Garmisch-Partenkirchen allerdings nützt ein Team die WM in erster Linie mit viel Charme für eine politische Kundgebung: das haitianische. Erst am 6. November 2010 von der FIS anerkannt, ist es das jüngste Mitglied der Skifamilie.
Und das kleinste bei dieser WM: Jean Pierre Roy ist Verbandspräsident und der einzige Aktive. Thierry Montillet ist Trainer, Manager und Mädchen für alles. „Wir sind hier, um Werbung für unser Land zu machen“, sagt Montillet. Er und Roy wollen zeigen, dass Haiti mehr zu bieten hat als schreckliche Meldungen über Katastrophen, Cholera, Korruption und Elend. Unermüdlich erzählen sie von den guten, aber auch schlechten Seiten des Lebens in dem Karibikland. Angesichts des Erdbebens im Jänner des Vorjahre mit rund 300.000 Toten starteten die beiden das Projekt „L'Or Blanc pour Haïti“, „Weißes Gold für Haiti“. Und das führte sie zur WM.
„Alles war hier für unseren ersten Auftritt vorbereitet“, sagt Jean Pierre Roy. Nur auf ein Detail hatte man in Bayern vergessen: die haitianische Fahne für den Einzug des Ein-Sportler-und-ein-Betreuer-Teamsbei der WM-Eröffnung. Doch Montillet und Roy improvisierten, sie hatten selbst ein Fähnchen dabei.

Hoffen auf Qualifikation

Sportlich soll der Ausflug nach Garmisch-Partenkirchen auch nicht gänzlich wertlos sein. Jean Pierre Roy ist zwar schon 47 Jahre alt, steht erst seit acht Jahren auf den Brettern und hat erst sechs FIS-Rennen bestritten. Doch bei seinem ersten Antreten im vergangenen November im französischen Val Thorens wurde er im Slalom auf Anhieb 25. Vier weitere Male klassierte er sich in Slaloms und Riesentorläufen, einmal scheiterte er fünf Tore vor dem Ziel. Bei der WM will der zweitälteste Teilnehmer und Großvater eines zweijährigen Enkels sowohl im Slalom als auch im Riesentorlauf die Qualifikation für die WM-Rennen schaffen.
Ältester WM-Starter ist ebenfalls ein Exot: Der Austro-Mexikaner Hubertus von Hohenlohe, der Anfang Februar 52 Jahre alt wurde.
„Rasta-Piquet“ nennen Jean Pierre Roy seine Freunde – auch wenn von Rastalocken nichts zu sehen ist. Und er blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Zwei Jahre war er alt, als seine Familie aus politischen Gründen aus Haitis Hauptstadt Port-au-Prince fliehen musste. Zwei Wochen dauerte die Flucht über den Atlantik, ehe die Roys in Frankreich an Land gehen konnten. Der Doppelstaatsbürger fasste Fuß und baute sich in der Nähe von Paris seine Existenz mit einem IT-Unternehmen auf, das heute rund 20 Mitarbeiter beschäftigt. Viel Zeit für Training blieb nicht. In Hochsavoyen hat er seine Trainingsbasis, dort bestritt er auch die FIS-Rennen. „In Haiti haben wir zwar auch Berge im Massif du Sud, die rund 2400 Meter hoch sind. Schnee gibt es dort meist aber nur zwei Tage im Jahr.“

Talente sind willkommen

Um die haitianische Gastfreundschaft unter Beweis zu stellen, spricht Montillet eine Einladung aus: „Wir wollen ein größeres Team aufbauen.“ Mit „echten“ Haitianern sei das aber nur schwer möglich, weil im Land Trainingsmöglichkeiten fehlen und es auch zu wenige Menschen gibt, die sich Skisport leisten können. Aber, sagt Montillet, „in Österreich und anderen europäischen Ländern gibt es viele Talente. Zu viele, als dass sie alle in ihren nationalen Verbänden unterkommen können. Wer gut ist und ein Team sucht: Haiti hat einen Platz.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2011)