WELT ONLINE

12.02.2011

Opas Botschaft

Warum der Haitianer Jean-Pierre Roy bei der Ski-WM startet

Mit Wetten ist das so eine Sache. Sie sollten sich immer - und möglichst vorher - gut überlegen, ob Ihre Schuld so leicht zu schultern ist wie ein Paar Slalomskier!

Jean-Pierre Roy ist zwischenzeitlich mal mulmig geworden. Vor zwei Jahren hatte er bei den Weltmeisterschaften der Skirennläufer in Val d'Isère/Frankreich unter den Zuschauern gestanden und tollkühne Frauen aus schneeunverdächtigen Ländern bestaunt, die den Hang fröhlich hinabschlitterten. Ein Freund bot ihm damals die Wette an: "Machen wir das auch?" Und Roy schlug ein: "Klar!" So kam der Mann, der mit 47 Jahren Großvater von zwei Enkelkindern ist, nach Garmisch-Partenkirchen. Er fährt erst seit acht Jahren Ski und trainiert meistens auf dem Trockenen.

Roy ist Haitianer, jedenfalls gebürtiger, seine Eltern wanderten nach Frankreich aus, als er zwei Jahre alt war. Dort betreibt er heute in einem Pariser Vorort eine Computerfirma. Nun könnte genörgelt werden, er sei einer dieser typischen Exoten, die sich - auch noch wegen einer kuriosen Wette - mit der Teilnahme an Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften einen Lebenstraum erfüllen: putzig anzusehen, ja, doch irgendwie bloß wie das Konfetti im Karneval der anderen. Aber Roys Botschaft ist vor dem Hintergrund seiner Herkunft eine andere: Er wolle zeigen, dass Haiti nach dem verheerenden Erdbeben vor einem Jahr mehr sei als Elend, Korruption und Cholera, sagt er. Ihm ist es egal, welchen Platz er nächste Woche Donnerstag in der Riesenslalom-Qualifikation belegt. Eine Siegprämie wird er sicherlich nicht an die Familienangehörigen in der Karibik schicken können. Aber wenn nur ein wenig seiner Lebensfreude auf die Menschen daheim abfällt, dann hätte Jean-Pierre Roy auch ein schönes Ziel erreicht.