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SKI-WM

Haiti im Herzen

Von news.de-Redakteur Michael Heinrich, Garmisch-Partenkirchen
Artikel vom 18.02.2011
Jean-Pierre Roy ist ein begehrter Gesprächspartner bei der Ski-WM. Das könnte daran liegen, dass er zwei Funktionen vereint: Er ist Präsident und einziger Teilnehmer des haitianischen Skiverbandes. Der 47-Jährige hat eine interessante Geschichte zu erzählen.
Der Münchner Merkur machte aus ihm den größten Wintersport-Exoten seit Eddi the Eagle. In Wahrheit hat der 47-jährige Haitianer nur auf den ersten Blick etwas mit dem kurzsichtigen englischen Skispringer zu tun. Denn Jean-Pierre Roy geht es weniger um den Sport als vielmehr darum, seiner durch ein verheerendes Erbeben mit 300.000 Toten und folgender Cholera-Epidemie schwer geschlagenen Heimat zu helfen.
«Haiti ist mehr als Elend, Cholera, Korruption und Tod», sagt Roy, dessen Ziel bei der Ski-WM vor allem Aufmerksamkeit ist. Derer kann sich der Exot, der nach verpasster Quali für den Riesenslalom am Sonntag im Slalom starten will, sicher sein. Sorgt er doch erstens für ein Novum: Er ist der erste Opa, der bei einer Alpin-WM an den Start geht. Und zweitens hat er eine sehr interessante Geschichte zu erzählen.
Flucht über den Atlantik
Roy war so alt wie heute sein Enkel (2), als seine Familie aus Haiti fliehen musste. Sein Großvater hatte sich als Journalist in Port-au-Prince kritisch mit der Regierung auseinandergesetzt. Die Flucht mit dem Boot über den Atlantik endete in Frankreich, wo der 47-Jährige heute in einem Pariser Vorort lebt und als Informatikspezialist seine eigene Firma mit 20 Mitarbeitern leitet.
Mit acht Jahren stand er in den Alpen das erste Mal auf Skiern, aber nur, um einmal im Jahr eine Woche als Tourist seine Kurven zu ziehen. Die Heim-WM in Val d'Isere 2009 gab den entscheidenden Anstoß. Als Zuschauer beobachtete er, wie im Super-G der Damen ein Starter trotz Problemen die Piste meisterte. Da fragte er sich, ob er das nicht auch hinbekommen würde.
Kurze Zeit später gründete er gemeinsam mit zwei Cousins den haitianischen Skiverband Fédération Haïtienne de Ski, der erst vergangenes Jahr vom Internationalen Skiverband Fis anerkannt wurde. Zwei Jahre nach dieser eigentlich als Schnapsidee geborenen Aktion steht er bei der WM am Start. «Für mich geht ein Traum in Erfüllung», sagt Roy.
Angst vor der Kandahar
Als das schwere Erdbeben Haiti im Januar 2010 verwüstete, wurde die Ski-WM zu seiner Mission. «Es ist mein Ziel, dass Haiti mit etwas Positivem assoziiert wird. Jeder kennt Haiti. Und wenn ich frage, weswegen, antworten alle: ‹Wegen seiner Armut, seiner Misere und des Erdbebens.›», erklärt er.
Die Reise nach Garmisch-Partenkirchen finanzierte er fast allein. Rossignol rüstete ihn immerhin mit Ski und Helm aus. Als er bei der grandiosen Eröffnungsfeier im Olympiastadion unter der Schanze als offizieller Repräsentant Haitis teilnehmen durfte, war Roy der glücklichste Mensch der Welt: «Es hat mich tief berührt, die Flagge Haitis neben der österreichischen zu sehen», sagt er stolz.
Je näher die Wettkämpfe rückten, desto mehr stieg aber seine Nervosität. Die Kandahar gilt selbst unter Profis als Mutprobe bei dieser WM. Mit bis zu 92 Prozent Gefälle und eisiger Oberfläche ist sie eigentlich zu gefährlich für jemanden, der nur rund 40 Tage für das WM-Rennen trainiert hat. «Ich habe Angst», gibt Roy zu.
Die Qualifikation für den Riesenslalom fuhr er dennoch und landete auf dem 99. Platz. Für das Rennen reichte es nicht. Nur die besten 25 Qualifikanten füllen das Feld der 50 gesetzten Starter auf. Doch für die Karibiknation Haiti war es die beste Platzierung bei einer Ski-WM ihrer Geschichte. Und noch bleibt ihm der Slalom auf dem Gudiberg.


jag/reu/news.de

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